Fasten ist mehr als ein 7-wöchiges Verzichtprogramm. Es darf Impuls und Auftakt sein, um unsere Gewohnheiten und unser Denken zu verändern.
Warum fasten wir eigentlich? (Kathrin Althans)
Früher war das ganze Kirchenjahr durchgetaktet nach Tagen und Wochen des Fastens und es gab genaue Speisevorschriften für diese Zeiten. Etwa im Mittelalter waren gutes Essen und Musik, der Spaß an Spiel, Tanz und am Feiern nur erlaubt nach Fristen und Geboten.
Heute knüpft kaum mehr jemand sein Seelenheil an den Verzicht auf Fleisch oder andere Genüsse in der Fastenzeit. Eher gilt sie als Zeit der Einkehr, der Umkehr und Besinnung.
Probehalber etwas anders zu machen – auch wenn es schwer fällt – kann die Entdeckung mit sich bringen, dass es anders besser sein könnte. Eine Weile das zu vermeiden, womit wir sonst viel Zeit verbringen und uns besonders im Wege stehen, das setzt Kräfte frei.
Warum faste ich? Aufmerksam werden durch Verzicht
Das Verzichten auf bestimmte Dinge oder Gewohnheiten in unserem Alltag, kann unsere Aufmerksamkeit und Achtsamkeit uns selbst gegenüber schärfen. Indem wir uns Raum nehmen und unser Leben hinterfragen, ehrlich sind zu uns selbst und reflektiert Antworten finden auf unsere Fragen.
Welche Gewohnheit in meinem Leben dient mir nicht (mehr)?
Woran hängt mein Herz?
Was soll Teil meines Lebens sein und was nicht?
Worauf möchte ich bewusst verzichten, um mir selbst Gutes zu tun?
Worauf möchte ich bewusst verzichten, um anderen Gutes zu tun?
Welche neue Gewohnheit darf in meinem Alltag Raum finden?
Denn auch das ist ja etwas, was wir tun können: Neue Gewohnheiten etablieren, um nicht nur “schlechte” Gewohnheiten zu unterlassen. Fasten ist eben nicht nur Verzicht. Du kannst deinen Blick auch verändern und in neuen Schuhen laufen lernen. Es geht nicht nur darum, “das Ganze” sieben Wochen lang durchzuhalten. Es geht auch um deine Reflexion dabei. Was tut mir jetzt gut, was ich weiter übernehmen möchte?
20 Jahre Fastenzeit. Meine Fastenerfahrungen
Seit ich ein Teenager war, fastete ich eigentlich jedes Jahr. Mal Süßigkeiten, mal das Fernsehen, Alkohol, Kaffee, Kuchen, Fleisch.
Was so ziemlich all diesen Fastenzeiten gleich war: Es war mehr eine Challenge und ich freute mich darauf, am Ende dieser Zeit wieder mit den alten Gewohnheiten weitermachen zu “dürfen”. Endlich wieder Süßkram, endlich wieder fernsehen, endlich wieder Kaffee.
Und: Immer gab es eine Ausrede.
“Von Freunden können wir ja nicht erwarten, dass sie plötzlich sieben Wochen lang vegan für uns kochen.”
“Ach, Sonntag ist fastenbrechen.”
“Na gut, ausnahmsweise auch mittwochs.”
Ich wurde zu meiner eigenen Maultasche – zum “Herrgottsbscheißerle”. Nur, dass Gott mir das Fasten gar nicht aufgetragen hatte.
Ich machte bei den Aktionen der evangelischen Kirche mit: 7 Wochen ohne.
Sieben Wochen ohne Ausreden.
Sieben Wochen ohne Runtermachen.
Sieben Wochen ohne Sofort.
Sieben Wochen ohne Enge.
Fand meine eigenen:
Sieben Wochen ohne Meckern.
Sieben Wochen Fülle leben.
Sieben Wochen ohne (Zeit)-Druck.
Ja, hier konnte ich mehr mitnehmen. Lernte zum Beispiel, meinen Meckerimpuls zu hinterfragen. Übte mich intensiver in Dankbarkeit, konnte das Schöne in jedem Tag entdecken. Ich bemerkte, wann und wie sich Zeitdruck einschleicht und konnte dem mehr entgegensteuern. Viele dieser neuen Gewohnheiten konnte ich in meinen Alltag “rüberretten” und übernehmen. Ich merkte, dass Fasten nicht nur irgendwas Neues ausprobieren auf Zeit sein musste.
Die Leerstelle füllen. Mehr als nur Verzicht
Es ist schön, spannend, anregend, diese Leerstelle zu füllen in der Fastenzeit.
Was mache ich eigentlich, wenn ich abends nicht fernsehe? Lese ich ein Buch? Rede ich mit meinem Mann? Telefoniere ich mit meiner Schwester? Oder gehe ich einfach nur früher ins Bett?
Mich selbst zu beobachten in dieser Zeit und verschiedene Phasen durchleben. Bei Kaffee und Zucker merke ich das immer besonders intensiv. Da gibt es in den ersten Tagen heftige Entzugserscheinungen, Kopfschmerzen, Migräne, bleierne Müdigkeit. Da suche ich den ganzen Tag nach Ersatz, etwas, das mich zufrieden stellt und ich esse ständig irgendetwas.
Danach kommt die Phase, in der ich mich fitter und aktiver fühle. Tolle Möglichkeiten gefunden habe, mir den Süßjieper zu befriedigen: Datteln mit Walnuss.
Und darauf die Phase, in der das alles ganz normal ist. Wenn morgens ein Saft oder Smoothie den Kaffee ersetzt und nachmittags ein Obstteller den Kuchen. Ich brauche Zucker und Kaffee gar nicht, stelle ich fest.
Dann kommen Karfreitag und Ostern und so oft braucht es nur dieses eine Wochenende, um zurück bei Null zu sein.
Und trotzdem. Immer wieder starte ich von vorn, probiere mich aus mit diesem Thema Verzicht, entdecke mich selbst und meine Gewohnheiten, erfinde mich neu. Oft ist es bei mir eine Woche basenfasten. Einfach so, mitten im Jahr. Nicht nur in den sieben Wochen vor Ostern. Fasten geht immer.
Mehr als nur sieben Wochen ohne. Fasten als Zeit der Besinnung und Reflexion
Wenn ich ehrlich bin, will ich die Wahrheit über mich selbst oft nicht hören. Will nicht, dass mein Handy mir eine Wochenübersicht meiner Nutzung schickt, in der +17%, 5h 37min am Tag, steht. Ich will nicht wissen, dass ich täglich über eine Stunde bei Facebook und Instagram unterwegs bin und schon gar nicht will ich wissen, wie oft ich mein Telefon in der Hand hatte. (“Der durchschnittliche Smartphone-Nutzer berührt sein Smartphone satte 2.617 Mal am Tag.”)
Und genau hier fängt es an. Beim Ehrlichsein mir selbst gegenüber. Wie bereit bin ich für Veränderung? Will ich nur mal sieben Wochen lang eine Challenge mitmachen oder wirklich etwas nachhaltig verändern in meinem Leben?
Es geht um die Verschiebung der Perspektive. Darum, neu zu denken und neu zu handeln. Ja, zunächst einmal für sieben Wochen. Und vielleicht auch um eine neue Perspektive für die Zeit danach.
Die Fastenzeit gibt Raum für diese Reflexion. Sie lädt ein dazu, bei mir selbst anzukommen und mal die Karten auf den Tisch zu legen. Es geht um mehr als nur sieben Wochen ohne. Es geht um mich selbst und darum, dass ich mich mit mir auseinandersetze. Mit meinen Gewohnheiten, meinem Umfeld, meinem Konsum.
Dazu lade ich auch dich heute ein. Nimm dir die Zeit und den Raum, dich und deine Gewohnheiten zu reflektieren und geh auf Entdeckungsreise zu dir selbst.