Dreißig Stunden sind wir unterwegs, um in unser Abenteuer zu starten. Ehrlich gesagt sind diese dreißig Stunden bereits ein großes Abenteuer, denn Reisen mit Kindern ist bei uns oft schon auf kürzesten Strecken eine Herausforderung. Da sind Hunger, müde, kalt, langweilig große Themen. Es ist der 11. Januar, 10:25 Uhr, als wir bei uns vor Ort bei Schneefall in die S-Bahn steigen. Wir sind voll bepackt mit Rucksäcken und einer großen Stofftasche voller Proviant, die unser Freund Stefan für uns vorbereitet hat. Schon auf dem Weg zum Stuttgarter Hauptbahnhof leert sich die Tasche beachtlich. Der Punkt Snacks war ein wichtiger auf unserer Packliste und wir freuen uns darüber, dass wir vorbereitet sind (die Sache mit der Toilette in der S-Bahn steht auf einem anderen Blatt…).
Wir sind also in Bangkok. Es ist 20:05 Ortszeit und wir stehen am Gepäckband. Bei Angelika fehlen zwei Gepäckstücke und ich versuche, mich iiiiiirgendwie in’s Flughafen-WLAN einzuwählen, um Infos von meiner Schwester zu erhalten. Sie ist seit sechs Stunden vor Ort und weiß nichts von unserer Verspätung. Müde Kinder, fehlendes Gepäck und kein Netz. Unser Start in Asien.
Eine Stunde später sitzen wir in einem Taxi auf dem Weg zu unserem AirBnb*. Der kurze Weg vom Flughafengebäude zum Van treibt uns den Schweiß auf die Stirn. Das ist sie also, von der alle Gesprochen haben – die asiatische Schwüle. Es ist inzwischen 21 Uhr und wir können eigentlich gar nicht fassen, was gerade passiert. Wir sind wirklich da. Was vor einem halben Jahr noch eine wilde Idee war, ist wirklich wahr. Dass jetzt auch noch Anna, meine Schwester, dabei ist, ein besonderes Geschenk.
Müde, hungrig und durstig bringen wir die vierzigminütige Fahrt hinter uns. Im Taxi sind Essen und Trinken verboten, was die Kinder auf eine besondere Probe stellt. Voller Freude empfangen uns unsere Gastgeber und wir sind sehr fasziniert davon, dass zunächst jedes einzelne der fünf Kinder mit Handschlag begrüßt wird. Hier sind wir richtig. Es fühlt sich so gut an!
Meine Schwester Anna und Leo, mein Mann, machen sich nun auf die Suche nach etwas zu Essen und bringen das einzige not so spicy Gericht vom Imbissstand um die Ecke mit.
Unser Abenteuer hat begonnen, so richtig.
Erste Male
Ein Tag in Bangkok
Wir verbringen einen Tag in Bangkok und merken, was Jetlag mit uns macht. Wir starten viel zu spät und kommen erst nach Schließung am großen Palast an. Die dauerhungrigen Kinder versorgen wir an den Marktständen, die uns so über den Weg laufen. Große Enttäuschung, dass der Pommes-Stand gerade geschlossen hat, klar. Trotzdem finden alle etwas und das Highlight sind die fünf Smoothies, die Angelika im Anschluss mitbringt.
Den Abschluss unseres Tages in Bangkok bildet ein Gartencafé, das mein Sohn am Vormittag entdeckt hat (“Mama, wir müssen in den Dschungel!”). Wir genießen das wuselige Treiben bei viel zu lauter Live-Musik, Anna und ich bleiben bis das Restaurant um 22 Uhr schließt. Asien. Zum ersten Mal.
Wir reisen weiter nach Pai
Am nächsten Tag geht es weiter in den Norden Thailands, nach Pai. Wir fahren mit dem Bus von Chiang Mai hinauf. 762 Kurven in Serpentinen nach oben. Ich freue mich zum ersten Mal über die wohltuende Wirkung von Kautabletten gegen Reiseübelkeit.
In Pai werden wir abgeholt von Andi und dem Hausbesitzer unserer Unterkunft – und wir alle passen auf die Ladefläche seines Pickup, was wir uns natürlich nicht nehmen lassen. Erste Fahrt auf einem Pickup. Ein Highlight für die Kinder. Und Erwachsenen, natürlich.
Er bringt uns zu unserem nächsten großen Abenteuer: Co-Living. Wir bewohnen ein Häuschen mit der Loewenfamilie und Angelika mit ihren Kindern. Das Willkommen ist so herzlich und wir sind immer noch völlig platt von der Tatsache, dass wir jetzt tatsächlich hier sind. Und doch: Co-Living, das Zusammenleben mit anderen Familien, das ist eine wirkliche Herausforderung. Absprachen, Vorlieben, Pläne, Erwartungen und Vorstellungen… puh. Wir sind immer noch im Finden der Aufgaben, im Einordnen der Charaktere und Bedürfnisse.
Unsere erste Woche in Pai
Zum ersten Mal fahren wir als Familie mit dem Roller. Immerhin vier Personen passen auf einen der kleinen Düser. Nach bestimmt 15 Jahren fahre ich auch mal wieder. Und sogar mein 10-Jähriger erhält Fahrstunden von meiner Schwester. Ohne jegliche Angst fährt er einfach los und übt den kleinen Weg rauf und runter.
Ich schwimme zum ersten Mal unter einem Wasserfall. Es ist eiskalt und ich bin die einzige, aber ich muss es einfach tun. Und auch wenn ich nicht sonderlich weit komme, weil mir die Kälte fast den Atem raubt: I did it! das ist einfach ein geiles Gefühl!
Wir genießen die erste frische Kokosnuss, die erste Thai-Massage (beim ersten mal noch light, später strong, uiuiui), das erste Mal Essen am walking market (Was ist das? – Keine Ahnung. – Egal, ich esse das jetzt.), zum ersten Mal essen wir so scharf, dass wir noch eine extra Portion Reis dazu bestellen müssen. Zum ersten Mal zu viert Yoga direkt nach Sonnenaufgang und Yoga für die Kids. Auch zum ersten Mal eine Toilette, die ohne Spülung auskommt und Restaurants, vor denen wir die Schuhe ausziehen müssen.
Zum ersten Mal ein Tattoo. Huch! Ja, tatsächlich. Und dann auch noch eins mit meiner Schwester. Spontan bei Mr. Pong. Wie super aufregend!
Wie vielen ersten Male der ersten Woche bringen so viel Energie mit, so viele Ideen, so viel Kribbeln. Gleichzeitig schreibe ich im Kopf manchmal schon über die vielen letzten Male und werde fast schon ein wenig wehmütig. Heute aber überwiegt die Freude und das Kribbeln. Hier. Jetzt. Im Moment.
Vor unserer Reise wollten wir offen sein für das, was kommt. Und doch merken wir, dass wir mit Erwartungen im Gepäck angekommen sind. Wie es sein würde. Was wir machen würden. Wie wir leben und arbeiten würden. Und natürlich ist es anders. Wir hätten uns nicht träumen lassen, wie anders es ist. Wir wollen uns Zeit lassen. Eintauchen. Sacken lassen.
Die Erwartungen wollen wir jetzt anschauen, ihnen Raum geben, sie transformieren und anpassen. Um noch mehr im Moment zu sein. Im Hier. Im Jetzt.