Elternschaft im Wandel. Was soll das sein?
Be- und Verurteilen. Das ist, was ich immer sehr gut konnte. Menschen in Schubladen stecken, mir mein Urteil über die bilden, ohne groß etwas über sie zu wissen und dann voll Verachtung auf sie hinunterblicken. Vor allem, wenn es um Eltern ging, hatte ich ganz schnell die passende Schublade parat: Unfähig, sollte keine Kinder kriegen, hat keine Ahnung von Erziehung, ist inkonsequent, sollte engere Grenzen setzen, sollte sich mehr durchsetzen… ach, eine ganze Litanei. Ich war ja schließlich Pädagogin. Da darf man sich ja wohl ein Urteil erlauben.
Heute schäme ich mich dafür.
Ich schäme mich für meine Unbedachtheit, für meine Verurteilungen, für meine Unwissenheit und meine Härte. Ich schäme mich dafür, Menschen in Schubladen gesteckt zu haben und für meine Arroganz.
Ich habe Eltern beurteilt, ohne das große Ganze zu kennen. Ich habe Eltern verurteilt anhand von fünf Minuten Beobachtung in der U-Bahn. Ich habe Kinder bemitleidet für ihre Eltern.
Dabei hatte ich von nichts – absolut gar nichts eine Ahnung. Und trotz jahrelangen Pädagogikstudiums hatte ich gar nichts verstanden.
Ich entschuldige mich von Herzen bei all diesen Menschen, die meine abfälligen, beurteilenden Blicke ertragen mussten. Ich entschuldige mich dafür, dass ich keinen zweiten Blick drauf geworfen habe und dafür, dass ich meine Ansichten höher bewertet hatte als alle anderen.
Meine Elternschaft. Mein Wandel
Als ich selbst Mutter wurde, da dachte ich: “Na klar. Du weißt ja, wie der Hase läuft, endlich kannst du alles richtig machen.” Wie falsch ich doch liegen sollte!
Mein Sohn wollte so richtig gar nicht funktionieren wie ich mir das von einem Baby erwartet hatte. Er hatte immer Hunger (Hey! Alle 3-4 Stunden sollte es doch reichen, das Kind zu stillen…), war unzufrieden, wenn ich zu weit weg war (Hey! Ich hab doch besseres zu tun…) und schrie (Hey! Ich weiß doch, wie man ein Baby beruhigt…).
Da war ich also: ungeduscht, hungrig und überfordert. Und ich musste mir eingestehen: Es ist so richtig gar nichts, wie ich es mir vorgestellt hatte.
Später lernte mein Kind sitzen, essen und sprechen. Und anders als gedacht, war sein erstes Wort nicht “Mama”. Sein erstes Wort war: “NEIN!”
Langsam, aber sicher, kam ich ins Grübeln. Ich war zu dem Zeitpunkt eh schon angefixt von diesem Attachment Parenting und machte mich auf die Suche nach mehr.
Was dann kam, hat mir nicht unbedingt geschmeckt: Das Thema unerzogen kam auf den Tisch. Dieser legendäre Krätzä-Text: Erziehung ist gemein!
So, so viele Widerstände wurden wachgerüttelt.
Ich habe unendlich viel gelesen in den letzten Jahren. Über Gewaltfreie Kommunikation, (Nicht-)Erziehung, Kindesentwicklung, Artgerechtes Zusammenleben, Schlaf, Bindung. (Das ist eine unvollständige Liste, frage mich gerne nach noch mehr Buchtipps*.)
Wenn Theorie und Praxis zusammenkommen.
Immer näher kam ich dahin, dass ich Elternschaft neu leben wollte. Mein Kind hielt mir dafür auch täglich den Spiegel vor. War unzufrieden, wenn ich es war, benutzte meine Worte, wenn sie unpassend waren, zeigte mir, wenn meine Worte und Taten nicht zusammenpassten.
Mein Kind war mir der beste Lehrer überhaupt. Und der Grund, warum ich all das, was ich früher gedacht hatte, all die Urteile, die ich mir gemacht hatte, all die Schubladen, die ich so wundervoll gefüllt hatte, wieder neu sortieren durfte.
Noch heute darf.
Denn, ganz ehrlich: Ich war die perfekte Mutter. Bis ich selbst eine wurde.
Und die Theorie ist mir so klar. Ganz oft geht es darum, die Trigger zu finden, die noch aktiv sind. Die Muster, die automatisch einsetzen wollen. Das Meckern zu sehen, das hochkommen will.
Ich erlaube mir heute, eine unperfekte Mutter zu sein. Eine, die zwar ganz viel weiß, aber trotzdem an ihre Grenzen kommt. Eine, die manchmal nicht ihrem Mantra “ATMEN! EINFACH NUR ATMEN!” folgt. Eine, die sich weiterhin ständig weiterbildet. Die sich Unterstützung holt und Weggefährt*Innen an die Seite.
Ich gebe all das weiter, was ich weiß.
Und ich gebe all das natürlich weiter an andere Mütter, an dich. Denn ich habe gemerkt, dass all das Wissen nicht hilft, wenn es mir selbst nicht gut geht. Dass all die Theorie nicht davor schützt, wenn meine Trigger zutage kommen. Dass ich zuerst gut für mich sorgen muss, um dann für meine Kinder da sein zu können.
Und wir sind viele! Inzwischen gibt es einen riesigen Strauß von Menschen, die sich für bewusstere Elternschaft einsetzen.
Ich habe einen kostenfreien E-Mail-Kurs kreiert: MOMente für dich. – Ein Kurs in Achtsamkeit.
Für dich. Für deine bewusste Elternschaft. Für dein bestes Ich.
4 Kommentare
Liebe Olga, als Noch-Nicht-Mama hatte ich auch immer eine Lösung für jedes “Erziehungsproblem” in meinem Umfeld, das hat sich dann genauso verändert mit meiner eigenen Mutterschaft wie bei Dir 🙂
Diese Reflektionen haben auch dazu geführt, dass ich viel Verständnis für meine eigenen Eltern entwickeln konnte.
Alles Liebe,
Sandra
Danke für deinen Kommentar, liebe Sandra.
Ja, das Verständnis für die Eltern wächst ungemein, da hast du so recht!
Alles Liebe auch für dich! Olga
Ach, ich finde mich so wieder in deinem Text! Auch ich wusste als Pädagogin scheinbar genau was Sache ist. Stand mit “guten Ratschlägen” zur Seite und war absolute Expertin. Ein Kind später (das zweite unterwegs) weißlich nur noch eins: Alles ist anders ?!
Und wie schön, dass wir es einfach so sehen können und alles wieder neu lernen dürfen 🙂