„Halb so wild!“
„Ist nicht so schlimm!“
„Tut gar nicht mehr weh!“
oder auch:
„Stell dich nicht so an!“
–
Sätze, die wir als Kinder gehört haben, mit denen andere unsere eigene Körperwahrnehmung deckeln, bestimmen und in den Hintergrund drängen wollten.
Welcher Satz war es bei dir?
Was ist in Dir noch so tief verankert, dass du dir in deinen Körperempfindungen nicht mehr vertraust? Welche Sätze hast du gehört, die Dir weis machen wollten, dass dein Fühlen und Handeln nicht richtig sind?
Nur gut gemeint
Dass unsere Eltern es nur gut gemeint hatten und es ihre Art war, uns zu trösten, ändert nichts daran, was es mit dir, mit mir und mit uns getan hat: Wir haben uns in manchen Fällen immer mehr von unseren Körperempfindungen abgelöst.
Durch die Wiederholung solcher Sätze, können diese Glaubenssätze tatsächlich unsere Körperempfidungen überschreiben und unser Gehirn sagt uns dann all das:
Halb so wild.
Tut gar nicht mehr weh.
Jetzt heul nicht!
Das gilt übrigens nicht nur für Schmerzen. Auch in unserer Wahrnehmung von Geschmack (Natürlich schmeckt das, wie kann dir das nicht schmecken?), unserem Bedürfnis nach Nähe (Jetzt hör auf zu klammern!), bis hin zu unserem Lustempfinden (Frauen haben eh nie Lust! – Männer übrigens immer.) – werden wir von Außen gegängelt und so wird uns die Möglichkeit genommen, eigene Körperempfindungen wahrzunehmen und für uns zu sortieren und zu deuten.
Lerne dich selbst wieder kennen
Seit ich in die Pubertät gekommen bin, hat eine chronische Schmerzkrankheit dafür gesorgt, dass mein Gehirn jederzeit in der Lage war, Schmerzen auszublenden.
Nicht auf meinen Körper zu hören, war Teil meines Alltags – meine Überlebensstrategie.
Als ich schwanger wurde, machte sich der Gedanke breit, dass mein Körper nicht mehr mir gehörte – was sich sehr auf meine Selbstwahrnehmung ausgewirkt hatte.
Ich ging 10, 12, 13 Tage über Termin und bei einem meiner letzten Termine im Geburtshaus sagte die Hebamme nur: “Natürlich kannst du jetzt kein Kind bekommen! Du bist ja gar nicht in dir drin!”
BOOOOM!
Genau das.
Ich war da und dann doch nicht.
Es hat viele Jahre gebraucht, bis ich mich öffnen konnte für das Thema
Körper- und Selbstwahrnehmung.
Ich war es so sehr gewohnt, alles mit dem Kopf auszumachen.
Und immer mehr merke ich:
Solange ich den Körper nicht mitnehme, passiert hier einfach gar nichts.
Deswegen habe ich mich sehr viel damit auseinandergesetzt, was es heißt, rauszukommen aus dem Kopf und rein in den Körper.
Habe viele Übungen und Methoden an der Hand, um immer wieder zurückzufinden in den Körper, um mich zu erden und bei mir anzukommen.
Und ich sehe genau das:
Wenn ich mich selbst nicht mehr spüre,
weiß ich auch nicht, was ich brauche.
Der erste Schritt in deine Körper- und Selbstwahrnehmung ist das Bewusstmachen deiner Geschichte. Welche Sprüche hast du gehört? Gab es Zeiten, in denen du gemerkt hast, dass du nicht in deinem Körper drin bist? Gab es Zeiten, in denen du es zum Selbstschutz sein musstest?
Übe, in deinen Körper reinzuhorchen
Vielleicht möchtest du eine neue Gewohnheit in deinen Alltag integrieren?
Immer beim Duschen in deinen Körper einzuchecken, z.B., oder immer vor dem Anziehen morgens. Vielleicht willst du abends in deinen Körper einchecken, wenn du dich ins Bett legst oder vorher, nach dem Umziehen?
Das kannst du beispielsweise mit einem Bodyscan machen – dem Check-in in deinem Körper: HIER
Ich bin jedes Mal aufs Neue erstaunt, welche körperlichen Anzeichen oft schon da sind, noch bevor irgendetwas wirklich sichtbar wird. Innere Anspannung, die sich immer wieder in Verspannungen äußert. Stress, der zu Kierferverspannungen führt. Ungesundes Essen, das Bauchschmerzen macht. Sorgen, die Kopfschmerzen bereiten.
Du kennst all das sicherlich auch. Wenn wir unseren Körper mitnehmen, immer wieder rauskommen aus dem Kopf, dann haben wir die Möglichkeit, Achtsamkeit walten zu lassen, noch bevor der Schmerz kommt. Und manchmal tut es auch einfach nur gut, mit dem Schmerz zu sein und ihn da sein zu lassen und zu fühlen.
Was will mir dieser Schmerz sagen? Wie fühlt sich mein Körper an, wenn er Schmerzen hat? Wann kommt dieser Schmerz? Was brauche ich jetzt?
(Das empfehle ich dir nicht, wenn du eine chronische Schmerzkrankheit hast. Es geht um Schmerzen als Körperempfindungen, die kommen und gehen.)
Wie mache ich das mit der Körperwahrnehmung?
Das ist eine Frage, den ich erstaunlich oft höre. Es ist tatsächlich so, dass viele von uns nur noch im Funktionsmodus handeln und so die eigenen Bedürfnisse und Körperempfindungen nicht mehr spüren können.
Ich lade dich ein, kleine Schritte zu gehen. Immer wieder einzuchecken in dir und einfach nur festzustellen, was da ist. Ohne Bewertung, ohne Einordnung in irgendwelche Schubladen. Körperempfindungen sind erstmal nur da. Und dann kannst du natürlich schauen: Warum ist etwas da? Was will sich Ausdruck verschaffen in mir und wird nicht gehört? Wo möchte ich näher hinhören, tiefer einsteigen?
Ich für mich habe vor allem diese vier Möglichkeiten gefunden, um Körperwahrnehmung zu praktizieren:
- Atmung
- Bewegung
- EFT
- Meditation
Atmung
Der Atem ist das Instrument der Selbstwahrnehmung, das immer zur Hand ist und das du jederzeit für dich nutzen kannst. Vielleicht hast du schon einmal bemerkt, dass deine Gedanken und Gefühle sich durchaus auch in deiner Atmung zeigen. Dich auf deinen Atem zu konzentrieren und bewusst einige tiefe Atemzüge zu machen, hilft, dich selbst in dir, in deinem Körper wahrzunehmen.
Bewegung
Hier geht es nicht um sportliche Bewegung, sondern tatsächlich schlicht darum, überhaupt in Bewegung zu sein. Zum einen tut es dir und deinem Körper gut. Zum anderen Verarbeitet unser Gehirn in Bewegung.
Mache immer wieder am Tag langsame Bewegungen mit deinem Körper und spüre rein, was er braucht, in welche Richtung er sich bewegen will. Ja, es kann sein, dass es an den unterschiedlichsten Stellen knackt und du merkst, dass Dehnung notwendig ist. Gib deinem Körper das, wonach er verlangt. Und das ist ganz ganz oft: Bewegung.
EFT
Emotional Freedom Technique – ist eine Klopfakupressurtechnik, die durch klopfen unterschiedlicher Punkte am Körper dir dabei hilft, Erlebnisse körperlich zu integrieren. Eine sehr einfache, sehr kraftvolle Technik, die dich wirklich auch aus akuten Stresssituationen rausholen kann.
Meditation
Meditation hilft dir nicht nur, den Kopf zu weiten für andere Welten, sie hilft dir auch, deinen Körper wahrzunehmen. Und: Meditation muss nicht immer im Schneidersitz mit aueinandersitzenden Fingerspitzen geschehen. Meditation kann alles sein, was du bewusst für dich wahrnimmst. Das können deine Füße sein beim Spaziergang, deine Hände beim Teigkneten, deine Geschmacksnerven beim Essen.
Nimm deinen Körper mit in deine Meditation!